Predigt über die Angst der Jünger im Sturm. Von Dietrich Bonhoeffer

Predigt über Matthäus 8,23-27

Von Dietrich Bonhoeffer

Und er trat in das Schiff, und seine Jünger folgeten ihm. Und siehe, da erhub sich ein groß Ungestüm im Meer, also daß auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward; und Er schlief. Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf uns, wir verderben! Da sagt er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stund [440] auf und bedräuete den Wind und das Meer; da ward es ganz stille. Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, daß ihm Wind und Meer gehorsam ist? (Mt 8, 23-27)

Überwindung der Furcht – das wird hier verkündigt. Die Bibel, das Evangelium, Christus, die Kirche, der Glaube – sie alle sind ja das eine große Kriegsgeschrei gegen die Furcht im Leben der Menschen. Die Furcht – das ist irgendwie der Urfeind selbst. Die Furcht sitzt dem Menschen im Herzen. Sie höhlt ihn innerlich aus, bis er plötzlich widerstandslos und machtlos zusammenbricht. Sie zerfrißt und zernagt heimlich alle Fäden, die den Menschen mit Gott und den anderen verbinden, und wenn der Mensch in seiner Not sich an sie klammern will, dann zerreißen sie und hilflos und verzweifelt sinkt der Mensch unter dem Gelächter der Hölle in sich selbst zurück. Und nun grinst ihn die Furcht unverhohlen an und sagt zu ihm: Jetzt sind wir beide allein, du und ich, nun zeige ich dir erst mein wahres Gesicht. Und wem sich einmal die nackte Furcht enthüllt hat, wer ihr einmal in schauriger Einsamkeit verfallen war – der Furcht vor einer großen Entscheidung, der Furcht vor einem schweren Schicksal, einer Berufsnot, einer Krankheit, der Furcht vor einem Laster, dem der Mensch keinen Widerstand mehr leisten kann, das ihn knechtet, der Furcht vor Schande, der Furcht vor einem anderen Menschen, der Furcht vorm Sterben – der weiß, daß die Furcht nur eine Larve des Bösen selbst ist, daß sie eine Gestalt ist, in der die gottfeindliche Welt nach ihm greift. Nichts vermag dem Menschen die Wirklichkeit gottfeindlicher Mächte in unserem Leben so spürbar zu machen wie diese Einsamkeit, diese Hilflosigkeit, dieser Nebel, der sich über alles verbreitet, die Ausweglosigkeit und diese rasende Erregung, in der man aus dieser höllischen Hoffnungslosigkeit heraus will. Habt ihr einmal einen Menschen gesehen, den die Furcht gepackt hatte? Grauenvoll beim Kind, grauenhafter noch beim Erwachsenen: diese Starre des Blicks, dieses tierische Erbeben, diese flehentliche Abwehr. Der Mensch wird durch die Furcht entmenscht. So sieht nicht ein Geschöpf Gottes aus, so sieht der Teufelsmensch, die geknechtete, zerstörte, kranke Kreatur aus. Aber der Mensch soll sich nicht fürchten, wir sollen uns nicht fürchten! Das ist der Unterschied des Menschen von aller Kreatur, daß er in aller Ausweglosigkeit, Unklarheit und Schuld um eine Hoffnung weiß und diese Hoffnung heißt: 

Dein Wille geschehe, ja, dein Wille geschieht. „Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken, seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.“ 

Und fragst du: Woher weißt du das?, so nennen wir den Namen dessen, vor dem der Böse in uns zusammenzuckt, vor dem Furcht und Angst sich fürchten müssen, vor dem sie zittern und die Flucht ergreifen, den Namen dessen, der allein die Furcht überwand und sie im Triumphzug gefangen führte und ans Kreuz schlug und der Nichtigkeit anheimgab, den Namen dessen, der das Siegesgeschrei der von der Furcht des Todes erlösten Menschheit ist – Jesus Christus, der Gekreuzigte und Lebendige. Er allein ist der Herr der Furcht, sie kennt ihn als ihren Herrn, ihm allein weicht sie. Darum seht auf ihn in eurer Furcht, denkt an ihn, stellt ihn euch vor Augen, ruft ihn, betet zu ihm, glaubt, daß er jetzt bei euch ist und hilft. Dann wird die Furcht verblassen und weichen und ihr werdet frei sein im Glauben an den starken und lebendigen Heiland Jesus Christus.

Da geht ein Schiff durch die Wellen. Es ist ein harter Kampf. Der Sturmwind wird immer heftiger. Das Boot ist klein, ein Spielzeug der Wellen, der Himmel ist schwarz, die Kräfte versagen. 

Da packt es den ersten. Wer? Was?. Er weiß es selbst nicht. 

Aber es ist einer ins Boot gekommen, der vorher nicht drin war. Nun tritt er ganz nah an ihn heran und er legt seine kalten Hände auf seine wild am Ruder ziehenden Arme – und er spürt, die Muskeln sind ihm wie gelähmt, die Kräfte verlassen ihn, und jetzt greift der Unbekannte ihm nach seinem Herzen, nach seinem Gehirn und entzaubert ihm die seltsamsten Bilder, da sieht er seine Familie, seine weinenden Kinder. Was soll aus ihnen werden, wenn er nicht mehr ist? Plötzlich ist es ihm als wäre er wieder an jenem Orte, an den ihn einst der Böse getrieben hatte, an dem er dem Bösen in langer Fron gedient hatte und er sieht all die Gesichter seiner damaligen Genossen im Bösen, er sieht den Nachbarn, den er noch gestern mit einem bösen Wort tief verletzt hatte. Plötzlich sieht und hört er gar nichts mehr, er kann nicht mehr rudern, es packt ihn eine Welle und wie im letzten Hilfeschrei stößt er es aus: 

Wer bist du, Unbekannter im Schiff? Und der antwortet: Ich bin die Furcht. 

Und nun dringt der Schrei durch das ganze Boot: die Furcht ist im Schiff, und alle Arme sinken gebannt und gelähmt, es ist alle Hoffnung dahin, die Furcht ist im Schiff. 

Da ist es, als ob alle Himmel zerrissen, als ob die himmlischen Heerscharen selbst das Siegesgeschrei anstimmten, in all die Hoffnungslosigkeit hinein: Christus ist im Schiff, Christus ist im Schiff und kaum, daß dies Wort gerufen und vernommen ist, da weicht die Furcht, die Wellen beben zurück. Das Meer wird ganz still und das Boot liegt auf ruhiger See. Christus war im Schiff!

Waren nicht auch wir mit auf jener Fahrt und war nicht der Ruf: Christus ist im Schiff, auch einmal unsere Rettung? Und sind wir nun nicht doch – eigentümlicherweise – alle schon wie- der auf der Fahrt, auf jener Fahrt ohne Glauben, ohne Hoffnung, erdrückt, gefesselt, geknechtet, gelähmt von der Furcht, mutlos, freudlos, bleierne Schwere in den Gliedern – jeder kennt und weiß das Seine? Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, wissen wir schon gar nicht mehr recht was mit uns geschehen ist, wir haben uns schon so an diesen Zustand gewöhnt, daß wir ihn wie etwas Selbstverständliches hinnehmen, ja daß wir all den Jammer um uns herum und bei uns fast liebgewonnen haben. Was hätten wir dann noch zu tun, wenn wir nicht einmal mehr jammern könnten? Und dies eben ist das Schlimmste an allem, daß wir schon gar nicht mehr da heraus wollen. Das ist der letzte Triumph der Furcht über uns, daß wir uns fürchten, ihr zu entfliehen, daß wir uns ihr sklavisch unterwerfen. Die Furcht hat über uns gesiegt und sie geht unter uns um in verschiedensten Gestalten; da sind die einen, die stumpf und unempfindlich geworden sind, die nur noch dumpf und verbissen vor sich hinbrüten und von einem Tag zum anderen leben, weil sie selbst zum Selbstmord zu stumpf geworden sind. Da sind die andern, die sich laut fürchten, die ihre Furcht vor jedem Menschen in Gestalt eines Jammergeheuls ausschütten, da sind wieder ganz andere, die meinen, sie könnten sich ihre Furcht durch große Worte und kühne Phantasien vertreiben und das mag, wenn diese Worte laut genug geschrieen werden, ja auch für einige Zeit zu [443] gelingen scheinen. Aber der Wissende erkennt in solchen Tönen nur wieder die gräßliche Macht der Furcht. Die Furcht ist im Schiff, in Deutschland, in unserem eigenen Leben und in diesem Kirchenschiff- die nackte Furcht vor der nächsten Stunde, vor dem Morgen und Übermorgen, darum werden wir stumpf, darum jammern wir, darum berauschen wir uns an dem und jedem, – was ist denn der Sylvesterspuk und Rausch anderes als die große Furcht vor dem Neuen, Zukünftigen? Die Furcht sitzt dem Menschen im Nacken.

Wer wollte hier hochmütig sein, als ob ihn dies alles nichts anginge, als ob er das alles nicht begreifen könne, das müßte kein Mensch sein, der nicht begriffe, warum sich die Menschheit der Welt heute fürchten muß.

Aber seht, nun ist mitten in dieser Welt der Furcht ein Ort für alle Zeiten bestimmt, der die ganz eigentümliche und der Welt unbegreifliche Aufgabe hat, den Menschen immer neu, immer wieder, ganz monoton das eine zuzurufen: Die Furcht ist überwunden, fürchtet euch nicht; in der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost; ich habe die Welt überwunden. Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Christus ist im Schiff! Und dieser Ort, an dem so geredet wird und werden soll, das ist die Kanzel in der Kirche. 

Von der Kanzel aus will der lebendige Christus selbst zu der Welt reden, daß für den, bei dem er einkehrt, die Furcht versinkt, daß er in ihm die Furcht überwindet. Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Wir müssen die ganze Enttäuschung und die ganze Liebe Jesu Christi zu seinen Jüngern aus diesen Worten heraushören. Wißt ihr es immer noch nicht, daß ihr in Gottes Hand seid, daß, wo ich bin, Gott ist. Warum seid ihr so furchtsam, seid mutig, stark, fest, mannhaft, sicher, gewiß, zittert nicht. Laßt den Kopf nicht hängen, klagt nicht über die schlechten Zeiten. Ich bin im Schiff. Er ist auch in diesem Kirchenschiff. So hört ihn doch und glaubt ihm doch.

Und nun sind wir doch wohl hierher gekommen, weil wir nun doch irgendwie wissen, daß etwas in unserem Leben anders werden muß und weil wir meinen, die Kirche könne uns da vielleicht irgendwie helfen. Wir spüren, wie gering, wie ärmlich, wie kleinlich, wie kurzsichtig unser Leben gegenwärtig ist. Wir sehen alle nur unsere eigenen Sorgen und Schwierigkeiten und sehen die tausendmal größeren des andern nicht mehr. Unsere Dinge kommen uns so riesengroß und unendlich wichtig vor und wir sind stumpf gegen alles andre. Und das hat die Furcht in uns angerichtet. Und nun spüren wir, wir können diese Enge nicht länger ertragen, wir ersticken darin und in dieses Ahnen und Fragen hinein dringt der Ruf der Kirche: Uns fehlt nur eines. Das ist der Glaube, daß Gott der Allmächtige unser Vater und unser Herr ist. Daß vor ihm unsere größten Sorgen wie die Sorgen der kleinen Kinder vor ihren Eltern sind, daß er die Dinge fügen kann und herumwerfen in einem Nu – daß sie leicht sind für ihn und gar nicht schwer, aber daß für ihn tausend Jahre ein Tag sind, daß seine Gedanken höher sind als unsere Gedanken, daß er trotz allem bei uns ist. Lassen wir uns wieder einmal zurufen von der Kirche: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Mitten im Sturm ist Christus im Schiff. Weiche, Furcht! Erscheine, Herr Jesus, starker Helfer, Heiland!

Aber nun kommt das Heer der Einwände und Ausflüchte. Wir sagen: Wir wollten ja gern glauben, aber wir können es einfach nicht mehr. Das Elend ist zu groß. Ach, laßt uns diese Rede nicht zu ernst nehmen. Ihr könnt nicht glauben? Nun, wir können es auch nicht. Ihr wollt glauben? – nun dann glaubt ihr ja schon, in einer Weise, vielleicht noch schwach, noch im Anfang, vielleicht aber tausendmal stärker als mancher andere, der glauben zu können meint. Seht doch gar nicht auf euren starken oder schwachen Glauben, sondern allein auf ihn, dem ihr glaubt, und sprecht zu ihm: Herr, stärke uns den Glauben!

Wir sagen: Es ist nicht das Elend, das uns schreckt, es ist unsere eigene Sünde, vor der wir Angst haben; und vor ihr müssen wir doch Angst haben, sonst überfällt sie uns! Das klingt wieder einmal so richtig und ist doch nichts als eine Finte der Furcht selbst. Nein, es ist ja nicht wahr, daß wir Angst haben müssen vor der Sünde, sondern wer Angst hat, ist schon mitten drin. 

Die Angst ist das Fangnetz des Bösen. Erst macht er uns Angst, verwirrt und dann gehören wir ihm. Nicht Angst, sondern Mut, Mut. 

Wie kann man auch dem Feind mit Angst im Herzen begegnen. Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Ist Gott nicht größer als eure Sünde? Laßt ihn stark werden in euch, dann ist die Sünde gefällt. Glaubt ihm. Herr, stärke uns den Glauben!

Und nun schließlich kommen die ganz Betrübten, die ganz Verzagten mit der Frage: Ist nicht unsere Zeit vorüber, sind die Jahre der Katastrophen und [des] totalen Niedergangs und Zu- sammenbrechens, ist nicht das von keinem Menschen mehr übersehbare Chaos unseres Lebens im Großen und im Kleinen das Zeichen dafür, daß Gott uns fallen gelassen hat? Gott will uns nicht mehr. Er hat seine Barmherzigkeit von uns gezogen, Gott ist uns feind; und wir müssen uns darein fügen. Wir dürfen uns nicht mehr an ihn halten, er will nicht mehr. Das ist die Stimme aus der tiefsten Tiefe, aus der Verzweiflung. Und hier hilft nur eines und das tut die Kirche nun an jedem von uns, der so denkt und empfindet: das Kreuz nehmen und uns vor Augen halten und dazu fragen: Hat Gott den verlassen? Und wie er ihn nicht verlassen hat, so läßt er uns auch nicht. 

Erkennt doch dies Zeichen in eurem eigenen Leben. Erkennt und versteht doch die Stunde des Sturmes und des Untergangs. Sie ist die Stunde der unerhörten Nähe Gottes und gerade nicht der Ferne. Dort wo alle andere Sicherheit bricht und stürzt, wo uns eine Lebensstütze nach der anderen weggezogen wird, vernichtet wird, wo wir entsagen lernen müssen, dort geschieht das ja alles nur, weil Gott im Anzug ist und weil er uns nun allein Stütze und Gewißheit sein will. Er zerbricht unser Leben, er läßt es an allen Enden scheitern, in Schicksal und in Schuld, und in eben diesem Scheitern wirft er uns ganz allein zurück auf sich selbst, auf Gott, will er uns zeigen: dort, wo du alles fahren läßt, wo du alle eigene Sicherheit verlierst und preisgeben mußt, dort bist du ganz frei für Gott und ganz geborgen in ihm. Daß wir doch die Stunden der Heimsuchung und Anfechtung, die Stunden auf hohem Meer in unserem Leben so recht verstehen möchten! Gott ist ihnen nah, nicht fern, unser Gott ist im Kreuz.

Das Kreuz ist das Zeichen, in dem alle falsche Sicherheit in unserem Leben gerichtet und der Glaube an Gott allein aufgerichtet ist. Seid mutig, seid mannhaft, seid sicher, seid gewiß – so hieß es. Jawohl, aber es kommt alles darauf an, daß hier nicht noch zuletzt ein furchtbares Mißverständnis entsteht. Es gibt auch falschen Mut, falsche Sicherheit. und diese falsche Sicherheit ist selbst nur die raffinierteste Vermummung der Furcht. Seht auf unsere Geschichte!

Als die Jünger ins Schiff stiegen, da schienen sie ganz sicher zu sein, sie schienen keine Furcht zu haben. Warum waren sie sicher? Sie sahen auf den schönen glatten See und waren ganz ruhig und sorglos. Aber mit zunehmendem Wind und Wellenschlag verlor sich ihre Ruhe und wuchs die Furcht. Angstvoll sahen sie auf das wilde Meer. Hier lag ihre Sicherheit und von hier aus nun brach die Furcht gegen sie vor. Von Jesus wird erzählt, daß er schlief. Nur der Glaube kann sorglos schlafen – darum ist der Schlaf eine Erinnerung an das Paradies – der Glaube hat seine Sicherheit allein in Gott. Die Jünger konnten nicht schlafen, ihre Sicherheit war dahin, sie hatten allen Halt verloren, es war die falsche Sicherheit gewesen, sie war nur ein anderes Gewand der Furcht. Solche Sicherheit überwindet die Furcht nicht – sie ist bald gebrochen, das tut allein der Glaube, der alle falschen Sicherheiten hinter sich läßt, stürzen und brechen läßt. Der Glaube, der nicht an sich selbst, nicht an das günstige Meer, an die Gunst der Verhältnisse, nicht an die eigene Kraft, nicht an anderer Menschen Kraft, sondern allein, ganz allein an Gott glaubt, ob es stürmt oder nicht, der einzige Glaube, der nicht Aberglaube ist, der nicht wieder in die Furcht führt, sondern der frei macht von der Furcht. Herr, stärke uns Kleingläubigen diesen Glauben!

Aber nun gilt auch das Andere. Wo Christus im Schiff ist, da beginnt es immer zu stürmen. Da greift die Welt mit allen bösen Mächten nach ihm, sie will ihn mit seinen Jüngern vernichten, sie empört sich gegen ihn, sie haßt ihn. Das muß der Christ wissen. Kein Mensch muß durch soviel Angst und Furcht hindurch wie der Christ. Aber das darf ihn nicht verwundern, denn Christus ist der Gekreuzigte und ungekreuzigt kommt kein Christ zum Leben. So wird er es mit Christus zusammen leiden und durchmachen, aber er wird immer auf den sehen, der mit ihm im Schiff [ist] und alsbald aufstehen kann und das Meer bedrohen, daß es ganz still wird.

Aber nun scheint es ja wahr zu sein, was ihr alle gewiß längst innerlich einwenden wollt, solch wunderbare Taten tut Christus heute nicht mehr. Er ist so seltsam verborgen, daß wir oft denken,  er sei gar nicht mehr da! Liebe Brüder, was wissen wir von dem, was Christus noch heute Abend an uns tun kann und will – wenn wir nur recht zu ihm rufen, wenn wir rufen: Herr hilf, wir verderben! Das war gewiß Furcht, aber es war Glaube in der Furcht, der weiß, wo die Hilfe allein herkommt. Es gibt keine Wunder mehr, sagen wir!. Aber was weißt du und ich davon?… Wir werden uns noch schämen müssen, wenn Gott uns einst seine Taten sehen läßt.

Und sie verwunderten sich und sprachen … . Die Verwunderten verstehen wir gut. Was ist das für ein Mensch, dem die Furcht weicht, der die Furcht im Leben der Menschen überwindet, der ihr die Macht nimmt? Aber schon in dieser Frage beugen wir die Knie, und beten zu ihm, zeigen auf ihn, den Mann voller Wunder, und sagen: Das ist Gott! Amen.

Predigt vom 2. Sonntag nach Epiphanias, 15. Januar 1933, 

Abendgottesdienst der Berliner Dreifaltigkeitskirche.

Aus: Dietrich Bonhoeffer Werke, Bd 12: Berlin 1932f, (Hg.: C. Nicolaisen/E.-A. Scharffenorth), München 1997, 440-447.

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