Neujahrsansprache 2022 von Eugen Drewermann: „Aufeinander zugehen in Zeiten der Spaltung“

Eugen Drewermann über Jesus, der durch die Wände der Angst hindurchgeht, der auf die Aussätzigen zugeht, der die Ansteckung riskiert, der segnet, der sich nicht beugt unter die Gesetze und Ordnungen der Angstgefangenen.

Drewermann beklagt den kompletten Ausfall des Religiösen in dieser Krise und wagt eine theologische Antwort.

„Die Spaltung, die sich bedrohlich durch unsere Gesellschaft zieht und bis in die engsten Familienkreise tiefe Spuren hinterlässt, nimmt immer gravierendere Formen an. Menschen werden kategorisiert als „geimpft“ und „ungeimpft“ – und dabei medial nicht selten gleichgesetzt mit „richtig“ und „falsch“. Die Diskriminierung, die damit gerechtfertigt und vorangetrieben wird, hat inzwischen Ausmaße angenommen, wie wir sie uns vor wenigen Monaten nicht hätten ausmalen können oder wollen. In diesen kritischen Zeiten der Isolation, Frustration und gegenseitigen Schuldzuweisung möchten wir für ein Miteinander, ein Aufeinanderzugehen und einen wertschätzenden Dialog plädieren. Denn nur durch eine aufrichtige Begegnung und Beschäftigung mit „dem anderen“ können wir es schaffen, Brücken zu bauen und die Gräben zu überwinden, die sich in den letzten Monaten und Jahren in unsere Gesellschaft gezogen haben. Als Appell an ebendieses Miteinander dürfen wir diese Neujahrsansprache des tiefgründigen Theologen und Psychoanalytikers Dr. Eugen Drewermann mit Ihnen teilen. Für uns sind Dr. Drewermanns gewohnt klare und weise Worte in dieser kritischen Zeit von unschätzbarem Wert und wir hoffen, dass sie weitläufig Gehör finden werden, um ihr Potential als wertvoller Beitrag für ein Miteinander entfalten zu können.“

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