Luther: Das Bild des Todes ängstigt die Natur und läßt unwillig sterben.
Von Martin Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben, Wittenberg 1535; zitiert nach: Calwer Luther-Ausgabe Bd 4, S. 214, Gütersloh 41984
Der Tod wird groß und schrecklich, weil die furchtsame, verzagte Natur dieses Bild sich zu tief einprägt, zu sehr sich vor Augen stellt. Dazu steuert nun der Teufel das Seine bei, damit der Mensch in das gräßliche Aussehen und Bild des Todes sich vertiefe und dadurch bedrückt, weich und zaghaft werde. Da wird einem nämlich der Teufel wohl alle die schrecklichen, jähen, bösen Todesfälle vorhalten, die ein Mensch je gesehen, gehört oder gelesen hat; daneben wird er mit hineinflechten, wie der Zorn Gottes einst da und dort die Sünder heimgesucht und verderbt hat. So will er die ängstliche Natur dahin treiben, daß sie den Tod fürchte und das Leben liebe und darum sorge; dadurch soll der Mensch, mit solchen Gedanken zu viel belastet, Gott vergessen, den Tod fliehen und hassen und so am letzten Ende Gott ungehorsam sich zeigen und bleiben. Denn je tiefer der Tod betrachtet, angesehen und erkannt wird, desto schwerer und bedenklicher ist das Sterben. Im Leben sollte man sich mit dem Gedanken an den Tod beschäftigen und ihn vor uns treten heißen, solange er noch ferne ist und uns noch nicht bedrängt; im Sterben dagegen, wenn er schon von selbst nur allzu stark da ist, ist es gefährlich und nichts nütze. Da muß man sich sein Bild aus dem Sinne schlagen und es nicht sehen wollen, wie wir hören werden. So hat der Tod seine Kraft und Stärke in der Furchtsamkeit unserer Natur und darin, daß man zur Unzeit ihn zu viel ansieht oder betrachtet.