Der beiliegende Aufsatz Michael Esfelds geht an die Substanz. Es geht um die Grundlagen unserer offenen Gesellschaft, die er bedroht sieht. Als Christen würden wir vielleicht nicht jeder seiner Ableitungen zustimmen. Wir würden ganz sicher das zugrundeliegende Menschenbild anders beschreiben, würden von der Ebenbildlichkeit Gott gegenüber sprechen und würden gegebenenfalls über den „Neuen Adam“ Christus reden. Vielleicht würden wir auch vom Heiligen Geist sprechen und die Frage nach Gesetz und Freiheit, Buchstabe und Geist, Umkehr und Evangelium in der einen oder anderen Weise ins Spiel bringen. Jedenfalls würden wir die Frage thematisieren, wie frei der Mensch in welcher Hinsicht ist. Dabei würde die Frage seines Ist-Zustandes in dieser Welt berücksichtigt werden müssen, gerade wenn es um allgemeinere Ableitungen geht.
Wir würden jedenfalls und insgesamt das Thema „Menschenwürde“ spezifisch und mit Bezug auf die biblischen Traditionen „dogmatisch“, „offenbarungstheologisch“ oder „textgebunden“ begründen. Anders Esfeld, der aus seiner liberalen Tradition von der „Freiheit“ des Menschen als Kriterium ausgeht.
Die auf die Menschenwürde folgenden Überlegungen Esfelds sind aber – trotz oder auch gerade wegen mancher Zuspitzung, über die man wiederum streiten kann – bedenkenswert und vor allem intensiv zu diskutieren, wenn wir der offenen, demokratischen, liberalen und rechtsstaatlichen Tradition unseres Gemeinwesens eine weiterhin gültige normative Kraft zumessen.
Eigentlich ein Thema für die Evangelischen Akademien …
Über Esfeld schreibt wikipedia (Stand 7. Juni 21 vormittags):
Seit 2010 ist Esfeld Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 2013 erhielt er den Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Seit 2021 gehört er dem akademischen Beirat des Liberalen Instituts an. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Naturphilosophie einschließlich der Metaphysik der Naturwissenschaften und die Philosophie des Geistes einschließlich der Sprachphilosophie.
Als Mitglied der Leopoldina positionierte sich Esfeld im Dezember 2020 klar gegen deren siebente ad-hoc-Stellungnahme zur Corona-Pandemie, die der deutschen Bundesregierung als Legitimation für den im Dezember 2020 begonnenen und danach über Monate hinweg verlängerten Lockdown in Deutschland diente. In dieser „einseitigen“ Stellungnahme sah Esfeld „die Prinzipien wissenschaftlicher und ethischer Redlichkeit verletzt“. Es existierten keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die solche Maßnahmen rechtfertigten. Vielmehr sei der Umgang mit dem Virus selbst im engeren Kreis der Experten für Virologie und Epidemiologie eine Streitfrage. Im weiteren Kreis der Wissenschaftler wiederum sei „höchst umstritten“, ob der Nutzen scharfer politischer Maßnahmen die dadurch verursachten Schäden aufwiege. Er forderte den Akademiapräsidenten Gerald Haug in einem offenen Brief auf, die Stellungnahme zurückzunehmen.[1] Esfeld teilte im Februar 2021 mit, er habe von Haug noch keine Antwort auf seinen offenen Brief erhalten.[2] Die Leopoldina hat zwar ihre Stellungnahme seither nicht zurückgenommen, aber zumindest bis Mai 2021 darauf verzichtet, weitere Stellungnahmen zur Pandemie abzugeben.