Der Irland-Irrtum der Leopoldina: Der Religionsphilosoph Jörg Phil Friedrich in einem Beitrag der WELT

In einem Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 6. Januar analysiert der Religionsphilosoph Jörg Phil Friedrich die Lockdown-Politik der Bundesregierung. Auszüge daraus im Folgenden:

Mit dem Hinweis auf Entwicklungen in Irland habe die Leopoldina-Akademie den Lockdown gerechtfertigt. Doch die jüngsten Zahlen zeigten, dass die Strategie zweifelhaft gewesen ist. In Irland sei die Lage noch schlimmer. Friedrich folgert: „Zeit, die Alternativlosigkeit des Lockdowns in Frage zu stellen.“

Die Leopoldina habe sich in ihrer Argumentationshilfe vom 8. Dezember, in der sie für einen schnellen, harten Lockdown warb, auf das Beispiel Irlands bezogen: „schnell eingesetzte, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum“ seien – wie man an Irland sehen könne, in der Lage, das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen:  „Zugleich verkürzt sich der Zeitraum, bis die Neuinfektionen so weit gesunken sind, dass Lockerungen möglich werden.“

Viola Priesemann vom Max Planck-Institut in Göttingen, eine der Mitautorinnen des Papiers hatte noch im November die Ansicht vertreten, dass ein kurzer, harter Lockdown die Zahl der Neuinfektionen pro Tag in die Nähe von 1000 bringen würde. Das hätten Modellrechnungen ergeben..

Jörg Friedrich weist nun wiederholt daraufhin, „dass es nicht von guter wissenschaftlicher Praxis zeugt, wenn man aus einer Korrelation auf eine einfache Kausalität schließt und meint, dass man irische Erfahrungen ohne Weiteres auf Deutschland übertragen könne, wo doch schon die Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen innerhalb Deutschlands gewaltig sind.“

Obwohl oder auch weil die gegenwärtigen Infektionszahlen einen mit Ensetzen erfüllen könnten, sei es Zeit, nun mit etwas Abstand die Lage zu bewerten.

„Erstens: Der harte Lockdown wirkt in Deutschland nicht.
Zweitens: Ein harter Lockdown ist keine kurzfristige Maßnahme, die der Wirtschaft sogar nützen würde, weil man schnell die Maßnahmen wieder lockern könnte.Vielmehr ist es genau so, wie es Kritiker des harten Lockdowns bereits im Herbst gesagt (https://www.aerztliche-anzeigen.de/leitartikel/evidenz-der-corona-forschung-zwischenglauben-und-wissen)haben: Es kommt zu einem Jo-Jo-Effekt, sobald die Maßnahmen gelockertwerden, schießen die Infektionszahlen wieder nach oben.“

Die Befürworter harter Maßnahmen reagierten darauf, so Friedrich, mit der Auffassung, dass der Lockdown dann eben so lange fortgeführt werden müsse, bis er Erfolg zeige. „Am besten, so meinen sie, wir bleiben in der sozialen Todesstarre, bis fast die ganze Bevölkerung geimpft ist“.

Dagegen aber stehe jedenfalls fest: „Die Aussage, dass ein harter Lockdown zu einem schnellen Rückgang der Infektionszahlen führen würde und dass damit gar eine schnelle Rücknahme der Maßnahmen möglich wäre, ist falsch. Das zeigen sowohl die aktuellen Zahlen aus Irland als auch die aus Deutschland.“

Einige Fehler der Politik, die sich nicht alternativen Schutzkonzepten gegenüber verschlossen gezeigt hatte, seien nicht mehr gutzumachen: „sie bestehen darin, dass es über fast ein Jahr nicht gelungen ist, die Risikogruppen in den Alten- und Pflegeheimen zu schützen. Viel Geld wurde ausgegeben, um Ausgleichszahlungen für den Lockdown zu finanzieren – dennoch stehen viele der Betroffenen vor einem Scherbenhaufen und vor dem Ende ihrer Existenz.“

„Viel Kritik ernteten Hendrik Streeck, Jonas Schmidt-Chanasit und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, als sie Anfang November 2020 für einen Strategiewechsel warben, aber wenn man das Papier (https://www.kbv.de/media/sp/KBVPositionspapier_Wissenschaft_Aerzteschaft_COVID-19.pdf) heute erneut liest, klingt es plausibler und fundierter als die Leopoldina-Stellungnahme, auf der das Regierungshandeln basierte. Insbesondere der Schutz der Risikogruppen hätte, schaut man sich die Altersverteilung der Todesfälle an, vielleicht viele Menschenleben gerettet.“

Nun sei es dafür zu spät. Der Autor hat jetzt nur noch die Hoffnung, dass die Impfungen für eine ausreichende Sicherheit für die Alten bringen. Er plädiert dafür, „schon jetzt die Maßnahmen Lockdowns zurückzunehmen, überall da, wo keine besondere Gefahr nachgewiesen werden kann und wo die bereits entwickelten Hygienekonzepte zeigen, dass die Menschen mit Verantwortungsbewusstsein und Engagement tätig sind.

Vertrauen in die Selbstverantwortung wäre eine langfristige Strategie, die Jo-Jo-Effekte verhindert. Denn eins ist klar: Umso drastischer die Maßnahmen, desto mehr geben die Bürger die Verantwortung auch an den Staat ab, wer gezwungen und kontrolliert wird, ist unvorsichtig, sobald wieder „alles erlaubt“ ist.“

„Damit das beschädigte Vertrauen der Bürger in die Wissenschaft wiederhergestellt werden kann, wäre eine selbstkritische Stellungnahme der Leopoldina wünschenswert. Auf die „8. Ad-Hoc-Stellungnahme“ zur Corona-Pandemie darf man gespannt sein.“

 

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